Free Bleeding ist in aller Munde. Aber die wenigsten haben es bereits ausprobiert. Britta von Vulvani erzählt uns hier, wie sie dazu gekommen ist und gibt ihre Tipps weiter.
Eine gute Freundin hat mir vor ein paar Jahren zum ersten Mal von Free Bleeding erzählt. Sie hat es selber durch Zufall praktiziert und es irgendwann nebenbei erwähnt, als wir gemeinsam für mehrere Monate in Mexiko gelebt haben. Ich war zu der Zeit genervt, dass es meine Lieblings-Tampons nicht immer und überall zu kaufen gab. Ich hatte deswegen gefühlt einen ganzen Rucksack voller Tampons für die Zeit mit, aber so richtig zufrieden war ich mit meiner Lösung auch nicht.
Ich war also ziemlich neugierig, als meine Freundin meinte, dass sie keine Periodenprodukte benutzt. Ich habe ihr tausend Fragen zu Free Bleeding gestellt und sie hat mir von ihrer Erfahrung erzählt. Wie so viele, konnte ich erst auch nicht glauben, dass Free Bleeding wirklich funktioniert. Ich war aber auch neugierig und habe es bei meiner nächsten Periode ausprobiert und mit jeder weiteren Menstruation weiter geübt. Und ich kann euch sagen: Free Bleeding klappt wirklich!
Ich habe es bei meiner nächsten Menstruation ausprobiert ohne lange zu überlegen.
Hier sind meine Tipps für andere, um sich der Methode Free Bleeding zu nähern. Aus meiner Sicht sind vor allem das Mindset, die Beobachtung des eigenen Körpers und auch Perioden-Akzeptanz wichtig, um Free Bleeding zu lernen. Der Schlüssel liegt darin, sich mit den eigenen Körpersignalen vertraut zu machen und den Rhythmus der Blutung zu verstehen. Sobald wir die Signale unserer Körpers verstehen, können wir mit unserer Menstruation genauso intuitiv umgehen, wie wir es zum Beispiel auch mit dem Urin gelernt haben. Free Bleeding ist ein Lernprozess und braucht ein paar Zyklen Übung – je nachdem wie vertraut die Person mit der eigenen Blutung ist. In meinem Online-Kurs “Free Bleeding lernen” begleite ich Menschen auf ihrer Reise, sich auf eine neue Art mit der eigenen Menstruation auseinanderzusetzen.
Am Anfang war ich oft unsicher, dass Free Bleeding nicht richtig klappt und dass vielleicht doch Menstruationsblut daneben geht. Ich habe mich immer gefragt: Muss ich jetzt noch mal Blut ablassen? Gefühlt konnte ich an nichts anderes mehr während meiner Periode denken. Das ist heute zum Glück ganz anders und ich fühle mich wohl (und sicher!) mit Free Bleeding.
Ich musste erst einmal verstehen, dass es erlernbar ist, bewusst das Periodenblut abzulassen. Es ist ein Prozess, wie viele andere in unserem Körper auch, den wir steuern können. Free Bleeding zu praktizieren, erfordert ein komplettes Umdenken und Hinterfragen. Und das braucht Ruhe, Übung und Zeit. Mit der Zeit habe ich ein (Ur-)Vertrauen für mich und meinen Körper entwickelt. Ich glaube daran, dass mein Körper frei menstruieren kann und das alles gut gehen wird.
Mittlerweile fühle ich mich so wohl mit Free Bleeding, dass ich keine anderen Periodenprodukte mehr brauche. So fühlt es sich für mich gut und richtig an. Es spricht aber auch nichts dagegen, Free Bleeding mit anderen Produkten zu kombinieren. Vor allem am Anfang sind Periodenunterwäsche oder (waschbare) Binden eine gute Unterstützung und nehmen den Druck raus, dass Free Bleeding direkt funktionieren muss..
Durch meine Arbeit mit Vulvani lerne ich aber immer wieder neue Periodenprodukte und -marken kennen, die ich gerne teste, um anderen davon zu erzählen.
Bei Free Bleeding geht es viel um aktives Zuhören, bewusstes Beobachten und Achtsamkeit in Bezug auf den eigenen Körper – und das finde ich sehr schön. Durch Free Bleeding wird meine Periode zu einem bewussten Teil meines Alltags. Früher war mein Motto eher: ‚Tampon rein, Periode vergessen.’ Meine Menstruation sollte still und unsichtbar sein. Heute sind meine Periode und ich ein ziemlich cooles Team. Und dafür bin ich dankbar.
Durch Free Bleeding hat sich die Länge meiner Periode verkürzt und auch die Beschwerden sind weniger geworden. Und noch dazu, brauche ich keine Periodenprodukte mehr. Aber es geht eigentlich um so viel mehr! Die letzten Jahre waren ein wunderschönes kleines Abenteuer, das ich mit einem neuen Blick auf meinem eigenen Körper, meinem Menstruationszyklus und meiner Periode erlebt habe und bei dem ich mich selbst immer besser kennengelernt habe. Mein neues Lebensmotto lautet: Let it flow & happy bleeding!
Die Nachteile von einem bestimmten Produkt oder Methode sind immer sehr individuell. Für mich persönlich gibt es bei Free Bleeding keine Nachteile. Für andere Menschen kann aber zum Beispiel ein Nachteil sein, dass diese Methode erst einmal erlernt werden muss und etwas Zeit braucht. Auch die bewusste Auseinandersetzung und Wahrnehmung der eigenen Menstruation kann für andere als Nachteil gesehen werden.
Durch meine Erfahrung mit Free Bleeding habe ich mehr über meinen Körper gelernt. In den letzten Jahren habe ich mich mehr mit der Biologie und Anatomie, die mit der Periode zusammenhängen, beschäftigt. Ich habe auch bewusster auf mein Menstruationsblut geachtet.
Die Periode wird oft so dargestellt, dass sie uns beeinträchtigt, uns schwächer macht. Durch meine Erfahrung mit Free Bleeding habe ich gelernt zu akzeptieren, dass meine Periode auch etwas Schönes sein kann. Jetzt denke ich jedes Mal, wenn ich meine Periode habe: „Krass, ich kann mein Menstruationsblut steuern. Ich schaffe etwas, wovon mir immer gesagt wird, dass ich es nicht kann.“ Das ist immer wieder die schönste Bestätigung für mich selbst und so ein einzigartiges (Körper-)Gefühl, was möglich ist, wenn wir an uns und unseren Körper glauben!
Jede Person ist einzigartig und so sind auch unsere Bedürfnisse während der Menstruation. Für Menschen mit einer starken Blutung oder Schmerzen (z.B. aufgrund von gesundheitlichen Problemen) kann es schwierig sein, sich auch noch auf Free Bleeding zu konzentrieren. Die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Periode kann sich jedoch auch positiv auswirken – ein Versuch ist es aus meiner Sicht wert.
Meine Botschaft ist es auch nicht, dass alle nur noch frei bluten sollten. Ich wünsche mir vielmehr, dass jede menstruierende Person, die für sich beste Methode oder Produkte während der Menstruation wählen kann. Und manchmal ist ja auch ein Mix aus allem genau das Richtige.
Wenn wir uns die Zahlen anschauen: Eine ganze Menge! Im Durchschnitt wird über 40 Jahre lang menstruiert und dabei benutzt jede menstruierende Person im Laufe ihres Lebens durchschnittlich rund 14.000 Einwegtampons und -binden. Freies Menstruieren der Umwelt zuliebe ist schon mal ein guter Grund, aber das Wichtigste ist, dass sich jede Person wohl während der eigenen Menstruation fühlt – egal mit welchen Periodenprodukten oder Methoden!